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Zentralamerika – Raus aus der Ohnmacht – medico international

Ein Netzwerk in Zentralamerika streitet für einen politischen Umgang mit Gewalterfahrungen.

medico 16.11.2024

Zentralamerika – Raus aus der Ohnmacht – medico international

Ein Netzwerk in Zentralamerika streitet für einen politischen Umgang mit Gewalterfahrungen.

Von Jana Flörchinger und Julia Manek

Spätestens seit der Niederschlagung des zivilen Aufstands im April 2018 haben der frühere Revolutionär Daniel Ortega und seine Frau, die Vizepräsidentin Rosario Murillo, Nicaragua im Würgegriff. Schätzungsweise 800.000 Menschen sollen seitdem das Land verlassen haben, viele nicht aus freien Stücken, sondern aufgrund von staatlicher Repression. Anfang September erhöhte sich diese Zahl um weitere 135 Menschen, denn nicht zum ersten Mal ordnete das Regime eine Massenabschiebung politischer Gefangener an. Aus dem berüchtigten Gefängnis El Chipote wurden die nun Zwangs-exilierten nach Guatemala ausgeflogen. Gleichzeitig wurde ihnen die Staatsbürgerschaft entzogen und ihr Eigentum konfisziert: Ersparnisse, Renten, Grundstücke, alles. Diese Maßnahmen trafen nicht nur die Ausgebürgerten selbst. Auch ihre Angehörigen wurden aus ihren Häusern vertrieben, können ihren Acker nicht mehr bestellen oder verloren die kleine Wohnung, die in der grassierenden Inflation die Rente absichern sollte.

Derartige Politiken der Gewalt zielen seit jeher jenseits ihrer direkten Effekte auch darauf ab, systematisch Gefühle von Ohnmacht, Hilf- und Hoffnungslosigkeit zu erzeugen. Nicaraguaner:innen, deren Namen hier nicht genannt werden können, beschreiben eine Atmosphäre der Einschüchterung, die sich auch bis in die hintersten Winkel der Gesellschaft ausgebreitet habe. Man treffe sich nur noch im Geheimen, lediglich mit engsten Verwandten und Freund:innen traue man sich, offen zu sprechen. Die Angst, denunziert zu werden, ist allgegenwärtig. Selbst Nicaraguaner:innen im Exil sind vorsichtig, um Angehörige, die noch im Land leben, nicht zu gefährden. Die Repression sät Angst und Misstrauen.

Hilf- und Hoffnungslosigkeit überwinden

In diesem Kontext kann psychosoziale Begleitung helfen. Aktivist:innen und Menschenrechtsverteidiger:innen, die ihr Land verlassen müssen oder intern vertrieben werden, sind häufig isoliert und müssen sich in neuen Kontexten zurechtfinden. Gemeinsam mit Partnerorganisationen in Mexiko, Guatemala und Nicaragua baut medico daher seit zwei Jahren ein transnationales Netzwerk zur psychosozialen Begleitung von Exilierten und intern Vertriebenen auf. Kern des Projektes ist es, „Menschen im Exil und intern Vertriebene zu stärken, damit sie weiter Teil politischer Kämpfe bleiben können“, so Clemencia Correa.

Correa ist Direktorin der mexikanischen Organisation ALUNA, die seit über zehn Jahren psychosoziale Unterstützung leistet, auch für Journalist:innen und Menschenrechtsaktivist:innen. ALUNA besitzt darüber hinaus viel Erfahrung in länderübergreifender Zusammenarbeit. Die Idee, sich jetzt in einem gemeinsamen Projekt zusammenzuschließen, lag daher nahe, schließlich begleiten Repression und Bedrohung die Menschen auch im Exil. „Wir sind auf die Kolleg:innen in den anderen Ländern angewiesen und unterstützen gleichzeitig Menschen, die in Mexiko Zuflucht finden“, so Correa.

Die Spirale der Hilf- und Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen ist ein wichtiger Schritt, um politische Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.  ………….