Die sandinistische Revolution führte zwischen 1977 und 1990 weltweit zu einem Boom transnationaler Solidarität mit Nicaragua. Allein in der damaligen Bundesrepublik traten zeitweise weit über 300 Solidaritätsgruppen aus dem gesamten linken Spektrum sowie aus dem christlichen und liberalen Milieu für eine Unterstützung der Sandinisten ein. „Our little ambassadors“ nannte ein hoher Funktionär im nicaraguanischen Außenministerium die Solidaritätsaktivisten im Jahr 1988. Was motivierte so unterschiedliche Akteure, wie Mitglieder linker Parteien und christliche Pfarrgemeinden, Gewerkschafter und Angehörige des linksalternativen Milieus, sich für ein kleines Land in Zentralamerika zu engagieren, das vor Ende der 1970er Jahre den wenigsten Bundesbürgern ein Begriff gewesen sein dürfte?
Das Buch von Christian Helm (mit dem Blick des zu der Zeit noch nicht Geborenen) ist aber keine Geschichte der Solibewegung in der Bundesrepublik, sondern eine der Beziehungen zwischen Soli-Aktivisten und Nicas. Es schließt damit eine Lücke der bisher veröffentlichten Untersuchungen, indem nach der Handlungsmacht der sandinistischen Akteure und den transnationalen Kommunikationsbeziehungen gefragt wird. Sein Fazit: Die Solidarität war kein Produkt allein bundesdeutscher Projektionen und Aktivitäten, sondern wurde durch Initiativen aus Nicaragua aktiv mitgestaltet. Mit ihrer intensiven transnationalen Öffentlichkeitsarbeit waren die sandinistischen Revolutionäre maßgeblich an der Konstruktion eines Images beteiligt, das Aktivisten in der Bundesrepublik und weltweit begeisterte und zu solidarischem Engagement motivierte.
Das Buch eignet sich sowohl für den selbstkritischen Blick der Akteure auf ihre eigene Geschichte und Verantwortlichkeiten, als auch für einen unverstellten Zugang der nachfolgenden Generation auf transnationale Solidarität im Allgemeinen und die Kultur- und Sozialgeschichte der 80er Jahre in Westdeutschland.
Im Archiv des Informationsbüro Nicaragua ausleihbar.
Hier eine ausführlichere Zusammenfassung des Autors: