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Suyen Barahona ist voller Hoffnung, wir verlangen ihre Freiheit


Im neuen Jahr waren ihre ermutigenden Worte: „Der Name meiner Mutter ist Esperanza (Hoffnung). Ich bin voll davon. Lasst uns zusammenhalten. Courage. Gerechtigkeit und Freiheit.“
Xenia Barahona, 16. Januar 2022, Confidencial


Eine Drohne flog über das Haus. Dann trafen Dutzende von Bereitschaftspolizisten und Spezialeinheiten ein. Sie stürmten gewaltsam herein, mit Gewehren bewaffnet und in Begleitung von Hunden. Und sie haben sie weggebracht. Sie haben unsere Schwester Suyen Barahona willkürlich inhaftiert, die heute eine politische Gefangene ist, zusammen mit mehr als 165 anderen Nicaraguaner*innen, die zu Unrecht inhaftiert sind, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben.

Suyen hat ein ansteckendes Lachen. Sie liebt das Leben und ist ein leidenschaftlicher, hoffnungsvoller Mensch. Sie hat eine tiefe Liebe zu ihrem Land und ist konsequent in ihren Prinzipien der Solidarität und Gerechtigkeit. Als Kind war Suyen schweigsam und aufmerksam, aber auch unabhängig. Vielleicht weil sie mit überfürsorglichen älteren Geschwistern aufgewachsen ist und lange Zeit das Nesthäkchen war, hat sie schon früh gelernt, für sich selbst einzustehen und ihre Positionen zu definieren. Während ihrer Zeit an der Schule Centro America machte sie sich das Motto „lieben und dienen“ zu eigen und besuchte das Kinderkrankenhaus La Mascota, um mit den Kindern zu spielen, und unterrichtete Lesen und Schreiben im Viertel El Recreo in Managua. Bei diesen Aktivitäten lernte sie ihre Freundin Ana Margarita Vijil kennen. Gemeinsam haben sie für das Land gekämpft, das sie so sehr lieben. Sie hat sich besonders dafür eingesetzt, dass junge Nicaraguaner*innen Chancen haben. Sie würde keine Zeit scheuen, einen Aufsatz zu lesen und einem jungen Menschen, der sich um ein Stipendium für einen Kurs bemüht, der ihm helfen könnte, seine Ziele zu verwirklichen, Vorschläge zu machen. Ich erinnere mich, dass sie uns mehr als einmal sagte: „Es ist schwer, hier ein Kind zu sein. Sie brauchen nur ein wenig Unterstützung.“ Wir haben mehrere uns unbekannte junge Menschen getroffen, die uns sagten, dass Suyen ihnen geholfen hat, an sich selbst zu glauben und ihre Stimme zu erheben. Suyen, benannt nach der asiatischen Herkunft der Familie, bedeutet „kostbares Juwel“.

Suyen Barahona. Foto: Cortesía

Sie glaubt fest an die Förderung von Frauen und hat sich dafür eingesetzt, dass sie unabhängig sind und ihre Träume verwirklichen können. Im Jahr 2013 unterstützte sie eine Gruppe von Kleinunternehmerinnen durch eine Schulung in Unternehmensführung. Mit großer Begeisterung und Bewunderung erzählte sie uns allen von der Kreativität und dem Einfallsreichtum all dieser Frauen. Ihre Nichten erzählen, dass ihre Tante ein Vorbild für sie war und sie immer lehrte, starke Mädchen zu sein und andere Frauen zu unterstützen. Ihre älteste Nichte erzählt davon: „Meine Tante Suyen ist fröhlich, kraftvoll, mutig, einfühlsam, belastbar, freundlich und lustig. Sie hat uns immer gelehrt, dass wir superstarke Mädchen sein und als Frauen Stärke, Mut und Selbstbestimmung zeigen sollten. Sie hat uns ermutigt, uns für andere einzusetzen. Dank ihr begann ich, ein Altersheim zu besuchen. Sie sagte, ich solle neue Dinge ausprobieren, und so nahm meine Schwester auch am Schauspielunterricht teil. Wo immer sie hingeht, hinterlässt sie ihre Spuren, und ihr Name ist in den Herzen derer, die sie kennen, eingraviert“. Für uns, ihre Familie, wurde ihre Entschlossenheit und Hartnäckigkeit mehr als deutlich, als sie Mutter wurde. Nach einem Not-Kaiserschnitt brachte sie ihr kleines Wunder zur Welt. Ihr Baby, das in der 32. Woche geboren wurde, musste einen Monat lang im Krankenhaus bleiben. Mit ihrer frischen Wunde und ohne zu blinzeln ging sie täglich, bis zu dreimal am Tag, zu ihm, um es zu betreuen und zu versorgen. Dort traf sie Grace, ein winziges Frühchen, dessen Mutter nicht stillen konnte. Ohne zu zögern, teilte sie ihre Muttermilch mit ihm. So stellt sie sich dem Leben. Trotz aller Widrigkeiten macht sie mit unerschütterlicher Entschlossenheit weiter, ermutigt und teilt mit allen, die etwas brauchen, und das immer mit einem Lächeln.
Das Gleiche gilt für ihren Aktivismus. Sie setzte sich intensiv für den Schutz der Umwelt ein und stellte ihr Studium und ihr Wissen in den Dienst des Landes. Als sie uns mitteilte, dass sie in die Politik einsteigen wolle, sagte sie zu unserer Überraschung: „Nun, ja. Sagt mir, wie kann denn der Wandel friedlich herbeigeführt werden?“ Einige Jahre vor 2018 konnte man sie in einer kleinen Gruppe an Straßenkreuzungen mit ihren Plakaten sehen, auf denen sie die Rechte der Bürgerinnen sowie freie und transparente Wahlen einforderte. Nach dem April 2018 sprach sie mit Tränen in den Augen über den Schmerz von Müttern, die ihre Kinder verloren haben, über die Familien politischer Gefangener in Gefängnissen. Mit ihrer festen Überzeugung setzte sie den Bürgerprotest fort, solidarisierte sich mit Journalistinnen, Aktivist*innen und Feministinnen und forderte die Freilassung der politischen Gefangenen. Als wir sie fragten, ob sie keine Angst habe, antwortete sie: „Es ist wichtig, sich zu beherrschen und trotz der Angst weiterzumachen“. Sie war ein Beispiel dafür, dass man niemals aufgibt, ein Beispiel für Solidarität und Liebe. „Ich möchte, dass mein Sohn und die jungen Menschen in Nicaragua in der Lage sind, Dinge ohne Gewalt zu lösen. Wir müssen eine Kultur der Toleranz und der Beteiligung schaffen“, sagte sie. Sie ist unser kostbares Juwel. Aus dem Gefängnis heraus, nach ständigen Verhören und mehr als sieben Monaten, in denen sie nicht bei uns sein konnte, macht sie mit ihrem Widerstand und ihrem Geist der Solidarität weiter. „Ich mache mir Sorgen um die älteren Menschen. Ich bestehe darauf, dass es ungerecht ist und sie nicht so behandelt werden können“, teilte sie uns mit. Im neuen Jahr hat sie uns nicht nur gesagt, wie sehr sie uns liebt, sondern auch ermutigende Worte gefunden: „Meine Mutter heißt Esperanza (Hoffnung). Ich bin voll davon. Lasst uns zusammenhalten. Courage. Gerechtigkeit und Freiheit.” Mit ihrem Engagement wollte sie dazu beitragen, diesen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und ein Nicaragua aufzubauen, das auf der Achtung der Menschenrechte, demokratischen Grundsätzen, Inklusion und Gerechtigkeit beruht. Bei der Übernahme des UNAMOS-Vorsitzes und der Verteidigung der Rechte aller musste sie Verfolgung und ständige Belagerung, willkürliche Verhaftung, Isolation, Isolationshaft … ertragen, aber sie hat sich nicht gescheut, das in Kauf zu nehmen, was sie erleben musste. Sie hat sich dem einfach mit Mut, Stärke und Würde gestellt. Ihre Isolierung verstößt gegen die Menschenrechte aller. Das ist grausam und unmenschlich. Wir fordern, dass wir unser Recht, sie wöchentlich zu besuchen, wahrnehmen können. Wir wollen vor allem ihre sofortige und bedingungslose Freilassung, und wir wissen, dass Suyen vor allem die Freiheit für alle politischen Gefangenen will.

Quelle: Confidencial, 16.01.2022: https://www.confidencial.com.ni/opinion/suyen-esta-llena-de-es-peranza-nosotros-queremos-su-libertad/?utm_source=Bolet%C3%ADn+Informativo+%7C+Confiden-cial&utm_campaign=260f1af997-BOLETIN_DIARIO_CONFIDENCIAL&utm_me-dium=email&utm_term=0_222aa13b5f-260f1af997-294758221&mc_cid=260f1af997&mc_eid=e82b729fca Aus dem nicaraguanischen Spanisch: Manfred Liebel