Frauensolidarität
Am 30.11.2024 fand aus Anlass des Internationalen Tages gegen Gewalt gegen Frauen eine Zoom Veranstaltung statt, in der wir sowohl über die gegenwärtige Situation von Frauen in Nicaragua berichteten wie auch einen Blick auf die Frauenkämpfe gegen Gewalt gegen Frauen in Nicaragua seit den 1970er Jahren warfen und die internationale feministische Solidarität mit diesen Kämpfen beleuchteten.






Insgesamt nahmen 20 Frauen teil, vor allem Frauen in Deutschland, aber auch Frauen aus Nicaragua selbst oder aus dem Exil. Mithilfe von zwei hervorragenden Übersetzerinnen konnten wir eine gute Verständigung unter allen Beteiligten hinbekommen (herzlichen Dank !!)
In einem ersten Input berichtete Laura vom Netzwerk gegen Gewalt gegen Frauen in Nicaragua über die verschiedenen Ausdrucksformen von Gewalt, die zu einer Zunahme von Femiziden, zu Familientragödien und zu Straflosigkeit führen. Kurzum, sagte Laura, „ es handelt sich um eine Tragödie von alarmierendem Ausmaß. In unserem Land ist die Gewalt gegen Frauen nach wie vor eine der brutalsten Formen der Diskriminierung und der Verletzung der Menschenrechte.“ Wegen des Verbots so vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen existieren keine Anlaufstellen mehr für Frauen und die Menschenrechtsverteidigerinnen im Land selbst sind darauf angewiesen, sich möglichst unsichtbar weiterhin zu vernetzen und ihre Unterstützung anzubieten, Frauen fortzubilden und zu organisieren. „Im Zeitraum von Januar bis zum 24. November 2024 sind 76 Frauen und Mädchen durch Femizid gestorben, darunter 19 Migrantinnen in anderen Ländern“ berichtete Laura weiter. „Jedes dieser Leben, das ausgelöscht wurde, steht für ein System, das nicht reagiert, für einen Staat, der weder den Schutz der Frauen gewährleistet noch Macho-Gewalt oder geschlechtsspezifische Gewalt verhindert. Missbrauch, Belästigung und alltägliche Gewalt verstärken den Schrei des Schmerzes und der Ohnmacht gegenüber einem System, das der Gewalt, die Frauen tagtäglich erfahren, keine Beachtung schenkt.“
„Wir fordern sofortige und energische Antworten auf diese Krise. Wir fordern wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der männlichen Gewalt in all ihren Formen, mit einem umfassenden Ansatz, der Prävention, Bestrafung und Wiedergutmachung für die Opfer umfasst. Wir fordern ausreichende Mittel für die staatlichen Institutionen, die für den Schutz der Frauen zuständig sind, sowie die Entwicklung von Empathie beim Personal der Frauenpolizeistationen und eine kontinuierliche Ausbildung mit Schwerpunkt auf Geschlechtergerechtigkeit. Wir fordern Schutzmaßnahmen für Frauen, die Anzeige erstatten“, fuhr Laura fort.
In einem zweiten Input von Barbara Lucas vom Infobüro Nicaragua wurde anhand von Fotos und Dokumenten von 1978 bis 2000 nachgezeichnet, wie sich Frauen in Nicaragua seit den Jahren des Kampfes gegen die Somozadiktatur, später in den Jahren der sandinistischen Revolution und danach bis zum Jahr 2000 gegen Gewalt organiserten und welche gesellschaftlichen Debatten auch gerade innerhalb der linken Kräfte notwendig waren. Internationale Solidarität und internationaler Austausch konnte hier oft zu einer Stärkung der feministischen Positionen genutzt werden. Viele Frauenprojekte, Materialien, Radiosendungen sowie Seminare und Treffen wurden mit internationaler Hilfe umgesetzt und der Austausch gerade progressiver Frauen aus verschiedenen Ländern machte es häufig einfacher, auch die Gewalt in den eigenen Reihen zu benennen und die Frage der Gewalt überhaupt erst auf die Tagesordnung zu setzen, etwa in den 1980er Jahren, als die Revolution in Nicaragua durch die USA massiv militärisch bedroht wurde. Offensichtlich wurde auch, daß es insbesondere Frauen ausserhalb der Frauenorganisation AMNLAE waren, die die autoritären Strömungen und das Thema der Gewalt innerhalb der FSLN schon damals kritisierten und sich ihnen entgegensetzten. So bekam die Frauensolidarität einen grossen Aufschwung durch die Einrichtung des Frauenrechtshilfebüros unter der Leitung von Maria Lourdes Bolaños. Sie und ihre Mitarbeiterinnen konnten ab 1985 systematisch Zahlen zur Gewalt gegen Frauen erheben, auch im sandinistischen Umfeld. Eine erste Rundreise mit ihr und Vilma Castillo sowie ein erstes reines Frauensolidaritätsseminar in Marl waren der Anfang einer breiten Frauensolidarität.
Auch in 2025 wird der Kampf gegen die Gewalt gegen Frauen ein zentrales Thema für uns bleiben und die Aufarbeitung unserer eigenen Geschichte verstehen wir als Teil des Widerstandes gegen ein verfälschendes Narrativ von oben.
Für Mai/Juni bereiten wir mit einer kleinen Gruppe, die sich SolFem nennt, eine Zoom Veranstaltung mit Delphine Lacombe vor, die in ihrem Buch „Violencias contra las mujeres, de la revolución a los pactos de poder, Nicaragua 1979-2008“ das Thema der Gewaltanwendungen gegen Frauen aufgearbeitet hat.
Frauen, die in unseren speziellen Frauenverteiler möchten oder sich an SolFem beteiligen wollen, können Angelika und Barbara beim Infobüro anschreiben.