
Nicaragua
| Staatsbürgerschaft: Am 16. Mai hat die Regierung von Daniel Ortega und Rosario Murillo im Kongress eine Verfassungsreform verabschiedet, die die doppelte Staatsbürgerschaft abschafft. Die Änderung der Artikel 23 und 25 der nicaraguanischen Verfassung bedeutet, dass jede Person, die eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt, die nicaraguanische Staatsangehörigkeit automatisch verliert. Das Präsidentenpaar argumentierte, dass „der Schwur der Treue zu einem anderen Staat die rechtliche und moralische Bindung an Nicaragua aufhebt“. Parlamentspräsident Gustavo Porras versprach, dass diese Regelung nicht rückwirkend angewandt wird, so dass Personen, die bereits eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, diese nicht verlieren. Kritiker*innen werden allerdings dadurch nicht beruhigt, da seit 2023 bereits ca. 400 Oppositionellen von der Ortega-Murillo-Regierung die nicaraguanische Staatsbürgerschaft willkürlich entzogen wurde. UN-Beziehungen: Die Regierung von Daniel Ortega und Rosario Murillo hat im Mai als Reaktion auf die Verleihung eines Preises an ein unabhängiges nicaraguanisches Medienunternehmen den Austritt des Landes aus der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) angekündigt. Die nicaraguanische Zeitung La Prensa wurde in diesem Jahr zum Gewinner des von der Unesco und der Guillermo-Cano-Stiftung verliehenen Weltpreises für Pressefreiheit gewählt. La Prensa muss seit ihrer Ausweisung aus dem Land und der Beschlagnahmung ihres Vermögens im Jahr 2021 im Exil arbeiten. Am 4. Mai, einen Tag nach der Anerkennung durch die Zeitung, kündigte die nicaraguanische Regierung den Rückzug der Anerkennung an. Diese Maßnahme entbindet Nicaragua jedoch nicht von seinen Verpflichtungen, die für ihren historischen und kulturellen Wert anerkannten Stätten zu erhalten. Der Austritt des Landes würde erst am 31. Dezember 2026 erfolgen, erklärte die UNESCO in einer Pressemitteilung. In ähnlicher Weise beschlossen Ortega und Murillo, Nicaragua als Reaktion auf eine Veröffentlichung aus dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) auszutragen. Das UNHCR veröffentlichte im April und Mai Statements und Berichte, die die prekäre Lage der geflüchteten Nicaraguaner*innen in Costa Rica geschildert haben, und richtete einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft, mehr Unterstützung für diese Bevölkerung zu leisten. Die Co-Präsidentin rechtfertigte die besagte Entscheidung, indem sie das UNHCR als “manipulativ” und “einmischend” bezeichnete. Politik: Am 14. Juni ist Violeta Barrios de Chamorro, ehemalige Präsidentin von Nicaragua, im Alter von 95 Jahren gestorben. Barrios de Chamorro wurde 1990 Präsidentin und war damit die erste demokratisch gewählte Regierungschefin Nicaraguas und die erste Präsidentin in der zentralamerikanischen Region. Sie lebte seit 2023 in San José, Costa Rica, als die nicaraguanische Regierung ihr aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters ihre Ausreise in Begleitung ihrer bereits exilierten Kinder erlaubte, damit sie bei ihrer Familie sein konnte. Intellektuelle, ehemalige Politiker*innen und sogar das Präsidentenpaar haben ihre Rolle als “Präsidentin des Friedens” im Rahmen des Contra-Kriegs hervorgehoben. Migration: Der Oberste Gerichtshof der USA entschied zugunsten der Regierung von Donald Trump und erlaubte die Aufhebung des legalen Status von Einwanderern aus Nicaragua, Venezuela, Kuba und Haiti. Das sogenannte CHNV-Programm wurde von der Biden-Regierung im Jahr 2023 eingeführt und hatte die Einreise von über 90.000 Nicaraguaner*innen ermöglicht. Mitte April begann das Department of Homeland Security damit, Hunderttausenden von Migranten aus diesen Ländern per E-Mail das Ende ihrer befristeten Aufenthaltsgenehmigung mitzuteilen und sie aufzufordern, das Land sofort zu verlassen. In der E-Mail hieß es, dass diejenigen, die das Land freiwillig verlassen und sich auf der CBP-Home-App anmelden, bei ihrer Ankunft in ihrem Heimatland 1.000 US-Dollar erhalten sollen – ohne jegliche Erklärung von den Mechanismen für die Überweisung dieses Geldes. |
Regional
| Pressefreiheit: In der neuen Rangliste von Reporter ohne Grenzen für das Jahr 2024 wird Nicaragua als das Land mit der schlechtesten Lage der Pressefreiheit in den Amerikas eingestuft, auf Platz 172 von 180 Ländern. Auch El Salvador ist auf der Liste auf Platz 135 zurückgefallen, drei Plätze weniger als 2024 und 69 Plätze weniger als vor der ersten Amtsperiode Bukeles. Obwohl Honduras und Guatemala in der Rangliste nicht zurückgefallen sind, bleibt die Arbeitslage für Reporter*innen in beiden Ländern wegen kooptierter Institutionen und organisierter Kriminalität weiterhin sehr gefährlich. Costa Rica bleibt weiterhin eine positive Ausnahme in der Region. Allerdings ist das Land in diesem Jahr um 10 Plätze im Ranking zurückgefallen, weil Vertreter*innen der Regierung Journalist*innen zunehmend diskursiv angreifen. Politische Gewalt in Costa Rica: Am 19. Juni wurde der nicaraguanische Oppositionsaktivist Roberto Samcam von Unbekannten in seiner Wohngegend in San José, Costa Rica, erschossen. Samcam war ein pensionierter Major der nicaraguanischen Armee, der sich seit 2018 im Exil in Costa Rica befand, wo er die Rechtsverletzungen der nicaraguanischen Regierung als Verbrechen gegen die Menschheit kritisierte. Zusammen mit Hunderten von anderen politischen Gegner*innen wurde ihm 2023 von Ortega und Murillo die Staatsbürgerschaft entzogen und er erhielt die spanische Staatsbürgerschaft. Exilnicaraguanische sowie internationale Organisationen verurteilten seine Ermordung, die eindeutig vorsätzlich geplant war, und machten die nicaraguanische Regierung dafür verantwortlich. Bisher hat sich der costaricanische Präsident Rodrigo Chaves nicht zu dem Fall geäußert. Die Untersuchung des Angriffs auf den Aktivisten Joao Maldonado und seine Frau Nadia Robleto wurde ebenfalls im Juni abgeschlossen. Die costaricanische Justiz hat eine Gruppe von Costa-Ricanern und drei Nicaraguanern als Verantwortliche für den Angriff identifiziert und erhebt derzeit formelle Anklage gegen die Beschuldigten. Eine Untersuchung von Divergentes deutet darauf hin, dass die Operation mit einer „Strategie auf Polizei- oder Militärebene“ geplant wurde. Repression: Eine Recherche der honduranischen Publikation Contracorriente zeigte auf, dass sieben honduranische Lenca Männer im Rahmen des Ausnahmezustands seit 20 Monaten in einem salvadorianischen Gefängnis sitzen. Die sieben lebten in einer Grenzstadt im Departement La Paz, Honduras, und arbeiteten in der Landwirtschaft in verschiedenen Dörfern auf beiden Seiten der Grenze. Zwei von ihnen waren minderjährig, als sie verhaftet wurden; sie sind jetzt 18 Jahre alt und wurden bereits wegen des Verbrechens der illegalen Vereinigung zu 10 Jahren Haft verurteilt. Laut Contracorriente gibt es klare Indizien, dass es sich um eine willkürliche Verhaftung handelt. |