Soeben haben wir erfahren dass Albert Luther am 5. April im Alter von 70 Jahren nach einer Corona-Erkrankung gestorben ist. Albert Luther lebte und arbeitete 1981 bis 1986 in Managua als Pastor im ökumenischen Centro Valdivieso, was sich der Befreiungstheologie im postrevolutionären Nicaragua verschrieben hatte. Ich lernte ihn dort während meines Arbeitsaufenthaltes von 1982 bis 1984 kennen. Albert Luther war während der 80er Jahre eine der wichtigsten Personen in der Schnittstelle zwischen sandinistischen Akteuren, deutschen Internationalist:innen in Nicaragua und der deutschen Solidaritätsbewegung. Sein Haus in Managua war immer offen für Besucher:innen. Erinnernswert und denkwürdig die sogenannten „Sonntagskreise“, jene monatlichen offenen Treffen für alle in Nicaragua arbeitenden Deutschen, Dauerbesuchern, aber auch Solitourist*innen, die eine Kontakt- und Anlaufstelle suchten zur Organisierung ihres Aufenthaltes, wo aber auch aktuelle Ereignisse analysiert, Briefe aus Deutschland verteilt, Informationsbriefe an die Solikomitees in Deutschland verfasst und die Pressearbeit nach Deutschland organisiert wurde. (Damals gab es noch keine elektronischen Medien und selbst der Zugang zu einer guten Schreibmaschine oder einem „Briefträger“ musste organisiert werden.) In seiner ruhigen und gelassenen Art strukturierte Albert das Gewusel, hatte immer den Kontakt zur richtigen Person bzw. Organisation und stets ein offenes Ohr. Dies war auch in der „harten Phase“ entscheidend, als die Contraeinschläge näher kamen und auch Deutsche wie Tonio Pflaum und Bernd Koberstein unter den Ermordeten waren. Albert vermittelte Zugänge zu den nicaraguanischen Medien aller Couleur (Barricada, Nuevo Diario und Prensa), holte die Erlaubnis zu Protestdemonstrationen auf Managuas Straßen, in denen wir den Rückzug der Bundesregierung von der Entwicklungshilfe, die Zusammenarbeit der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung und der CSU-nahen Hans Seidel-Stiftung mit den Hintermännern der Contra und die Vasallenrolle der konservativen Bundesregierung gegenüber den USA kritisierten. Jetzt mussten neue direktere Organisationsformen gefunden werden, wie das Netzwerk der europäischen Internationalist:innen, auch mal die eine oder andere Besetzung der deutschen Botschaft und der sogenannte „Brigadenkreis“, der notwendig wurde, um eine angemessene Reaktion auf die politisch-militärische Zuspitzung der Auseinandersetzung zu finden: Die Aktionsform sollte einen Protest darstellen gegen die US-Interventionspläne, indem eine massive Präsenz europäischer Helfer:innen als menschliches Schutzschild, eine Unterstützung zur bedrohten Kaffeeernte in Contragebieten und eine öffentlichkeitswirksame Medienarbeit der rückkehrenden Brigadisten angezielt wurde. Albert organisierte mit uns maßgeblich die Aufrufe zur europäischen Brigadenkampagne, die Absprachen mit den Sandinist:innen, später auch die Durchführung, die Betreuung und die Öffentlichkeitsarbeit. Auch später wurden in diesem kleinen Komitee regelmäßige Berichte verfasst zur Informierung der deutschen Solidaritätsnetze, zur Betreuung der Medien und zur Unterstützung bei der Positionierung in wichtigen Kampagnen. Als im Mai 1986 acht Brigadist:innen entführt und 21Tage gefangen gehalten wurden, galt es den Protest gegenüber den USA zu organisieren ohne gleichzeitig das Leben der Entführten zu gefährden. In einer Drei-Tages-Aktion ketteten sich mehrere Dutzend Demonstrierende vor der US-Botschaft an; Albert als ihr Sprecher forderte das Ende der Contra-Unterstützung durch USA und BRD. Das Bild zeigt Albert (sitzend 5. v.l.) auf einer selbst organisierten Pressekonferenz, nachdem es dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung Hans Jürgen Wischnewski gelang, die Entführten freizubekommen.
Nach seiner Rückkehr lebte Albert mit seinen drei Kindern in Frankreich bei Bischheim/Straßburg als Pastor, wo wir immer willkommen waren. Nach seiner Wiederverheiratung musste er seinen Beruf aufgeben und betrieb mit seiner Frau eine Gastwirtschaft. Ich danke ihm für viele gemeinsame Erfahrungen die ich nicht missen möchte auch wenn in den letzten Jahren der Kontakt etwas spärlicher geworden ist.
Klaus Heß
Uns verbinden viele Erinnerungen und wichtige Lebenserfahrungen mit Albert.
Seine Großzügigkeit und Herzlichkeit war ein wichtiger Teil unserer gemeinsamen politischen Arbeit. Wir sind sehr traurig über seinen zu frühen Tod und werden Albert nicht vergessen
Erika Harzer, Dirk Hegmanns, Barbara Lucas, Uwe Peter, Wolfgang Schwab, Anke Spiess, Ulla Sparrer, Kalle Staymann und das Team des Infobüro Nicaragua
Zum Hintergrund: Rückblick auf das Infobüro Nicaragua und die bundesdeutsche Solidaritätsbewegung der 80er Jahre