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Rezension „Radikale Alternativen – Warum man den Kapitalismus nur mit vereinten Kräften überwinden kann“ von Alberto Acosta und Ulrich Brand

Das Buch setzt sich mit den beiden emanzipatorischen Transformationsansätzen Post-Extraktivismus und Degrowth auseinander und verbindet diese. Beide Konzepte üben eine tiefgreifende Kritik am Kapitalismus, stammen jedoch aus unterschiedlichen Kontexten.

Zunächst legen die Autoren dar, warum sie den Kapitalismus für eine unhaltbare Lebensweise halten und gehen kurz auf die multiple Krise des Kapitalismus ein. Diese Krise wird im Laufe des Buches immer wieder aufgegriffen und weiter erläutert, da eine emanzipatorische Transformation den Kapitalismus und seine Krisen an der Wurzel fassen muss. Als multipel bezeichnen die Autoren die Krise, da sie weit über eine Wirtschaftskrise hinausgeht und auch andere Bereiche wie Politik, Gesellschaft und Kultur betrifft. Den Ursprung der Krise sehen die Autoren dabei im Kapitalismus selbst, nämlich in seinem unbedingten Streben nach Wirtschaftswachstum. Die üblichen Antworten auf die Krise hinterfragen nicht das System selbst und blockieren so die Möglichkeit sie zu überwinden. So sehen die Autoren beispielsweise die grüne Ökonomie als Sackgasse, da sie in den kapitalistischen Strukturen verweilt und das Problem daher nicht lösen kann. Auf eine komplexe Krise kann es nur eine komplexe Lösung geben. Das Buch gibt Denkanstöße, in welche Richtung diese Lösungen gehen können und bedient sich dabei den Konzepten Post-Extraktivismus und Degrowth als Wegweiser, die als zwei Seiten derselben Medaille gesehen werden.

Post-Extraktivismus hat seinen Ursprung in Lateinamerika und entstand aus der Kritik am zunehmenden Ressourcen-Extraktivismus. Degrowth ist primär im akademischen Kontext in Europa entstanden und wurde von verschiedenen Bewegungen aufgenommen. Die Autoren stellen beide Konzepte mit ihren jeweiligen geographischen und politischen Kontexten sowie ihren Problemen vor und verknüpfen beide Konzepte. Als Gemeinsamkeiten sehen die Autoren die tiefgreifende differenzierte globale Kapitalismuskritik sowie den Blick auf den Ursprung der sozialen Probleme, der in den tief verwurzelten Vorstellungen und Praktiken des Fortschritts, der Entwicklung und des Wachstums verortet wird.

Der Kapitalismus festigt Herrschaftsverhältnisse. Der Staat ist dabei Ausdruck und Teil der kapitalistischen, patriarchalen, rassistischen und neokolonialistischen Verhältnisse. Gleichzeitig ist der Staat aber auch Terrain von sozialen Auseinandersetzungen. Die Autoren zweifeln nicht daran, dass der Staat eine wichtige Rolle bei der Transformation der Gesellschaft spielt, sehen aber in ihm nicht das einzige strategische Handlungsterrain, sondern weisen den sozialen Bewegungen eine wichtige Rolle zu. Von den beiden Transformationskonzepten wünschen sich die Autoren ein kritischeres Konzept von Staat und Politik.

Die Autoren sind sich einig, dass der Kapitalismus keine Zukunftsperspektive bietet, da er nicht fähig ist, großen Bevölkerungsgruppen ein attraktives und gutes Leben zu garantieren. Bleibt es beim Kapitalismus, so sehen die Autoren einen humanitären Rückschritt kommen. Die möglichen Alternativen gehen mit einer neuen Lebensweise einher, die sich von der üblichen imperialen Lebensweise des Globalen Norden – die sich zunehmend auch im Globalen Süden findet – verabschiedet. Diese neue Lebensweise muss mit einer Abnahme des Einkommens und materiellen Komforts vieler Menschen einhergehen. Ziel sollte es dabei jedoch sein, dass diese Reduzierung nicht als Verlust des Wohlbefindens angesehen wird. Dafür ist ein anderes Verständnis von Wohlstand und Lebensqualität nötig.

Im letzten Kapitel sprechen sich die Autoren für einen gemeinsamen, globalen Dialog aus, der als Ausgangspunkt das gemeinsame Bestreben hat, Strukturen und Prozesse von Macht zu identifizieren und aufzudecken, zu kritisieren und zu überwinden. Dabei schließen sie nicht aus, dass es hilfreich sein kann, anstelle der Begriffe Degrowth und Post-Extraktivismus, andere Begriffe zu wählen, wie beispielsweise das Konzept „Buen Vivir“, welches im engen Zusammenhang mit Post-Extraktivismus steht und im Buch ebenfalls thematisiert wird.

Den Autoren gelingt es in ihrem Buch, die Stärken und Schwächen der beiden Konzepte zu beleuchten und die Kernelemente einer Transformation herauszuarbeiten, ohne dabei einen Masterplan vorzugeben. Sie geben viel mehr Denkanstöße und werfen Fragen auf, die bei der Analyse von emanzipatorischen Strategien helfen können.

Das Buch schafft es komplexe theoretische Inhalte verständlich zu vermitteln. Einigen Leser*innen mag es an manchen Stellen an tiefergehenden Ausführungen fehlen, dafür bleibt das Buch jedoch in einer angenehmen Länge und schafft es trotzdem vielseitiges Wissen einzubringen.