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Nicaragua: Ein Land im Ausnahmezustand – auf der Webseite der Heinrich – Böll – Stiftung

Nicaragua: Ein Land im Ausnahmezustand | Heinrich-Böll-Stiftung (boell.de)

2. März 2021 (siehe Link zu den Webseiten der Heinrich-Böll-Stiftung)

Analyse Während der massiven Proteste gegen die autoritäre Regierung vor drei Jahren schienen die Tage von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega gezählt. Doch nun sieht es danach aus, dass er das Land auch nach den Wahlen im November 2021 regieren wird. Schuld daran ist eine beispiellose Welle der Repression, aber auch eine zerstrittene parteipolitische Opposition, die für die Mehrheit der Bevölkerung keine echte Alternative zur regierenden FSLN darstellt. 

Foto; Jorge Mejia Peralta

Seit dem gewaltsamen Ende der Proteste von April bis Juli 2018 gegen das Regime von Daniel Ortega schien die politische, soziale und wirtschaftliche Situation in Nicaragua zu stagnieren. Doch im Wahljahr 2021 drückt die parteipolitische Opposition offenbar auf das Gaspedal. Die Parteien nehmen für sich in Anspruch, den Geist der Proteste von 2018 zu repräsentieren. Mehr als ein halbes Dutzend Präsidentschaftskandidat*innen sind aufgetaucht, darunter der evangelikale Journalist Miguel Mora, der Ende 2018 für sechs Monate in Haft war, weil er mit seinem Fernsehsender die Protestbewegung unterstützte, die Tochter der Ex-Präsidentin Violeta Barrios de Chamorro, Cristiana Chamorro, ihr Cousin und Wirtschaftswissenschaftler Juan S. Chamorro sowie Félix Maradiaga, Politikwissenschaftler und ehemaliger Funktionär der Regierung von Arnoldo Alemán (1997-2002). 

Auf der anderen Seite steht eine autoritäre Regierung, die Polizei und Überwachungsapparat dazu einsetzt, um die bürgerlichen Freiheiten noch weiter einzuschränken und erneute Massenproteste zu verhindern. Die parteipolitische Opposition ist der permanenten Verfolgung durch die Regierung von Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo ausgesetzt. In dieser komplizierten Situation hat sie es nicht geschafft, die Unterstützung jener Menschen zu gewinnen, die vor drei Jahren zu Hunderttausenden auf die Straßen gegangen waren und angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit sowie eine Demokratisierung des Landes gefordert hatten. 

In den Oppositionsparteien finden sich vor allem Karrierepolitiker*innen, viele von ihnen aus der traditionellen Rechten, aber auch sandinistische Dissident*innen, Unternehmer*innen sowie ein paar Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der Studierenden- und Bauernbewegung. Ihre Verbindungen zum Großkapital, zu Ortega oder zur alten konservativen Elite, die zwischen 1990 und 2007 neoliberale Regierungen anführte, bieten der ärmeren Bevölkerungsmehrheit jedoch keine glaubhafte Alternative zur Regierung. Über den Ruf nach Demokratie hinaus sind bei den verschiedenen „blau-weißen“ Anti-Ortega-Zusammenschlüssen kaum Forderungen nach einem Wandel der politischen Kultur hin zu einer gerechteren und transparenteren Gesellschaft zu finden. 

Dass die Parteien und die Wirtschaftselite den Kampf gegen Ortega vereinnahmt und sich von der Bevölkerungsmehrheit entfernt haben, bleibt nicht ohne Folgen: Nach jüngsten Umfragen sympathisiert ein großer Teil der Bevölkerung – trotz der Ablehnung von Ortegas autoritärem und repressivem Modell – weder mit den 2018 entstandenen oppositionellen Alternativen (Unidad Nacional Azul y Blanco und Alianza Cívica) noch mit den traditionellen Parteien des konservativen Lagers (Partido Liberal Constitucionalista/Ciudadanos por la Libertad). Auch konnten sich die Oppositionsparteien bisher nicht auf ein gemeinsames Alternativprojekt zur Regierung verständigen.

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