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Nicaragua – die aktuelle Lage der Kaffeeproduzent*innen

Faire Woche 2021 – Zoom-Vortrag: Eine  Initiative des Aktionskreises Eine Welt in Kooperation mit dem Informationsbüro Nicaragua e.V. und dem Kaffeehandelsbetrieb el rojito e.V. – Live aus Nicaragua Ivania Calderón

Bevorstehende Wahlen, die Folgen der Corona Pandemie und spürbare Auswirkungen des Klimawandels – die Menschen in Nicaragua stehen vor komplexen Herausforderungen. Welche konkreten Auswirkungen hat die politische und wirtschaftliche Lage auf die Landbevölkerung, allen voran die Kaffeeproduzent*innen? Wie gehen sie mit der aktuellen Situation um und was kann der Faire und Solidarische Handel zu ihrer Unterstützung beitragen? Diesen Fragen wurden in dem Zoom-Vortrag nachgegangen. Klaus Heß, Vorstandsmitglied des Informationsbüros Nicaragua, eröffnete die Veranstaltung mit einem Ausflug in die Geschichte des Büros seit seiner Gründung 1978 und einem Blick über die aktuelle politische Lage des Landes. Er führte u.a. aus, dass Alphabetisierung, Solidaritätsarbeit, Lieferkettengesetz, Fairer Kaffee-Handel nur einige Stichpunkte sind, wo das Informationsbüro Mithilfe leistet.

Live zugeschaltet aus Nicaragua war die Hauptreferentin des Abends Frau Ivania Calderón, Geschäftsführerin der Kooperative „La Providencia“, der 360 Kleinbauernfamilien aus dem Umkreis des nicaraguanischen Städtchens Wiwilí angehören. Die Mitglieder der Kooperative bauen ihren Kaffee im tropischen Wald an den Hängen des Kilambé, dem zweithöchster Berg Nicaraguas, an. Frau Calderón schlug in einem gut vorbereiteten, fundierten Vortrag einen breiten Bogen über die Aufgaben und Vorteile der Kooperative. Sie berichtete, dass es für die Kleinbauern der ideale Weg sei, Mitglied einer Kooperative zu sein, die ihnen eine soziale Absicherung bietet. Sie führte aus, dass „La Providencia“, seit
2011 in „el rojito“. einen direkten Handelspartner hat (neben anderen Handelspartnern wie El Puente). „el rojito“ (Teil der Importgemeinschaft MITKA) finanziert teilweise die Ernte vor und zahlt bis zu 60 % des vereinbarten Preises als Vorschuss (dies entspricht einem kurzfristigen Produktionskredit). Dadurch wird eines der drängendsten Probleme der Mitglieder der Kooperative gelindert: die ständig erforderliche Kreditaufnahme bei lokalen Banken (zur Finanzierung des Lebensunterhalts), die die Kaffeebauern mit erheblichen Zinszahlungen belastet.

Da der von „La Providencia“ produzierte Arabica Rohkaffee immer im hochwertigen Bereich liegt, kann auch immer eine Qualitätsprämie ausgezahlt werden. Diese und ein Teil der Fair Trade-Prämie fließt in einen Sozialfonds, der u.a. dazu verwendet wird, um die Kinder der Kooperativen-Mitglieder mit Schulmaterialien auszustatten. Auch medizinische Aufwendungen oder Begräbniskosten können durch den Fonds bezahlt werden. Ziele der Kooperative sind Investitionen in den Straßenausbau, um das Wegenetz zu den Fincas instand zu halten, da die Stadt Wiwili und ihre Umgebung nicht über den Anschluss an ein gepflastertes Straßennetz verfügt und das Dickicht des tropischen Waldes immer undurchdringlicher wird. Weitere Punkte sind die Elektrifizierung und das Gesundheitswesen, um so auf Dauer ein stabiles Umfeld für die Kaffeebauern zu schaffen und die Effektivität und Effizienz zu erhöhen.

In der anschließenden regen Diskussion kam u.a. zur Sprache, dass sich immer mehr Kaffeebauern für den Bio-Anbau zertifizieren lassen. Die Kooperative setzt auf Diversifikation; daher werden, neben Mais, Bohnen, und Bananen für den Eigenbedarf, auch Macadamia-Nüsse angebaut. Diese gehen jetzt neu in den Export – die Macadamia-Bäume tragen erst nach sieben bis zehn Jahren die ersten Früchte. Da der Kaffee von „La Providencia“ in 700 m Höhe angebaut wird, ist die Kooperative von den Folgen des Klimawandels glücklicherweise noch nicht betroffen, mit denen Kaffeebauern in niedrigeren Lagen zu kämpfen haben (Trockenheit, Schädlinge, etc.). Für den Klimawandel gibt es nationale Pläne bzgl. Alternativen im Anbau, Anpassung von Bewirtschaftungstechniken und Verwendung biologischer Düngemittel.

Jedoch wurden in der Diskussion auch noch andere Brennpunkte beleuchtet:

Die Kooperativen stehen im ständigen Kampf und hartem Wettbewerb mit den multinationalen Unternehmen bzw. transnationalen Konzernen, die versuchen, zertifizierte Produzent*innen abzuwerben, um diese für die eigene Zertifizierung zu nutzen. Durch diese Abwerbungen wird den Kooperativen großer Schaden zugefügt. Angesprochen wurden auch die Herausforderungen, die die Corona-Pandemie mit sich bringt. Die Kooperative übernimmt hierbei eine führende Rolle in der Zusammenarbeit mit offiziellen Stellen und der Weitergabe von Informationen. Weitere Herausforderungen stellen der starke Wettbewerb und die Globalisierung dar. Auch dafür steht die Kooperative, da nur gemeinsam den Herausforderungen begegnet werden kann.

Frau Calderón hob abschließend noch hervor, wie wichtig es sei, das Interesse in Deutschland wachzuhalten und den Fairen Handel künftig noch weiter auszubauen.

Dagmar Sartorius, Aktionskreis Eine Welt Wuppertal-Ronsdorf e.V. / Eine Welt Laden Ronsdorf