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Hugo Torres Jiménez: Held des Kampfes gegen die Somoza-Diktatur


Er hat sich nie der Macht unterworfen, und als Ortega die Regierung übernahm, akzeptierte er keine Posten, Vergünstigungen oder Privilegien

Mónica Baltodano, 12. Janauar 2022, Confidencial

„Heute werden wir Helden oder Märtyrer sein“, sagte der legendäre Germán Pomares, als Eduardo Contreras, Chef des Kommandos, bestätigte: „Es ist heute und es gibt kein Zurück mehr! Es war der 27. Dezember 1974, und in der Tat wurde Hugo Torres Jiménez zum Helden, nicht nur wegen seiner Teilnahme an der Kommandoaktion zur Eroberung des Hauses von Chema Castillo, sondern wegen all der Jahre seines Guerilla-Lebens im Kampf gegen Somoza und seiner kämpferischen militärischen Führung beim spektakulären Angriff auf den Nationalpalast.“ Hugo Torres hat sich nie der Macht unterworfen, und als Ortega die Regierung übernahm, hat er keine Posten, Vergünstigungen oder Privilegien akzeptiert. Heute ist er der einzige ehemalige General der Nationalen Armee, der sich aktiv für die Fortsetzung des Kampfes für die Demokratie in Nicaragua einsetzt, und mit seinem Beispiel gibt der ehemalige Leiter der Politischen Direktion der Sandinistischen Volksarmee (EPS) seinen ehemaligen Mitstreitern und all jenen, die sich weigern, sich zu ergeben und wie Sklaven zu leben, den Weg vor.

Hugo wurde 1948 in El Espino, Madriz, geboren. Als er fünf Jahre alt war, zog seine Familie nach León, wo er lebte und studierte, weshalb er sich immer als aus León stammend betrachtet hat. Bis er in den Untergrund ging, lebte er im Viertel El Calvario, in der Nähe der Wohnung von Rigoberto López Pérez, den er vor der Hinrichtung von Somoza García im Jahr 1956 kennenlernte. Seine Mutter war Isabel Jiménez und sein Vater Cipriano Torres, ein Leutnant der Nationalgarde (G.N.).

Im Jahr 1971 schloss er sich der FSLN an und ging im Juli 1974, ohne sein Jurastudium abgeschlossen zu haben, in den Untergrund. Er besuchte sofort eine politische Militärschule auf der Farm „El Panamá“ des zum Sandinismus übergelaufenen Yico Sánchez in Jinotepe, Carazo. Als er für das Kommando „Juan José Quezada“ ausgewählt wurde, verbrachte er Monate zurückgezogen und in der Ausbildung, bis sie die Operation „Siegreicher Dezember“ durchführten, bei der sie Funktionäre der Regierung Somoza entführten, die an einer Party im Haus von Chema Castillo teilnahmen. Das Kommando forderte die Freilassung der politischen Gefangenen jener Zeit. Sie haben ihre Ziele in weniger als 48 Stunden erreicht. Anschließend flogen sie mit den geretteten politischen Aktivistinnen, darunter Daniel Ortega, ihr Henker und derzeitiger unrechtmäßiger Präsident von Nicaragua, nach Havanna.[1]

Im Jahr 1975 reiste er in Begleitung von Carlos Fonseca über Honduras heimlich nach Nicaragua ein. Er wurde für kurze Zeit zum Verantwortlichen für Chinandega ernannt, bis er im Januar 1976 mit einem von Carlos Agüero Echeverría geführten Kontingent in die Berge ging. Er wurde in das zentrale Lager der Brigade „Pablo Úbeda“ unter dem Kommando von Henry Ruiz (Modesto) tief im Isabelia-Gebirge aufgenommen. Er erlebte die Härte der Berge während der, wie er es nannte, „mageren Zeiten“, als die bäuerliche Bevölkerung einer brutalen Unterdrückung ausgesetzt war und mehr als 3.000 Menschen als vermisst gemeldet wurden. Dies zwang die Einheimischen, die Berge zu verlassen und sich in der Nähe der Operationszentren der Nationalgarde niederzulassen, wo die Guerilla dem Hunger und Krankheiten ausgeliefert war. Hugo war tagelang ohne Essen und ernährte sich von Knollen, Affenfleisch und Bananenschalen. Dort litt er an Leishmaniose, der gefürchteten Gebirgslepra der Guerillas. Ende 1976 nahm er an mehreren Verteidigungskämpfen teil. Im März 1977 wurde er für die Schwadron „Aurelio Carrasco“ ausgewählt, eine offensive Einheit unter dem Kommando von Carlos Agüero, die Patrouillen der Nationalgarde bei der Verfolgung von Guerillas und der Unterdrückung von Bauern angreifen sollte. Die erste Aktion war der Angriff auf die Patrouille in Lisawe, bei dem Carlos Agüero getötet wurde. Hugo sagte, dass dieser Tod, die heftige Belagerung durch die Nationalgarde, der Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten, die Kämpfe, bei denen mehrere Kämpferinnen getötet oder verwundet wurden, und andere Probleme zu einem Zusammenbruch der Moral und des Zusammenhalts führten, so dass einige beschlossen, die Stadt zu verlassen. Als Befehlshaber einer dieser Gruppen mit dem Ziel, Honduras zu erreichen, begann Hugo nach den Kämpfen vom 13. August den beschwerlichen Marsch. Im Januar 1978 erreichten sie den Patuca-Fluss, einen Nebenfluss des Rio Coco, auf honduranischem Gebiet. Torres erinnert sich daran, weil er dort die Nachricht von der Ermordung von Pedro Joaquín Chamorro Cardenal hörte. Er nahm Kontakt mit der FSLN-Organisation in Honduras auf, die bereits in verschiedene Richtungen gespalten war, und schloss sich der Gruppe der Terceristas an.
Mitte 1978 kehrte er nach Nicaragua zurück und wurde für das Kommando „Rigoberto López Pérez“ ausgewählt, das die Operation „Tod dem Somozismus“, d.h. den Angriff auf den Nationalpalast durchführte, eine weitere spektakuläre Aktion, die zur Freilassung von mehr als sechzig politischen Gefangenen führte. Er war der zweite Befehlshaber der Operation, an der auch Dora María Téllez als politische und Verhandlungsführerin teilnahm. Hugo ist der Einzige, der an den beiden größten Kommandoaktionen der FSLN beteiligt war.[2]

Nach dem Sieg der Revolution wurde ihm der Ehrenrang eines Guerillakommandanten verliehen und er wurde zum stellvertretenden Innenminister ernannt. Als er in den Staatsrat eintrat, wurde er in die Armee versetzt und zu ihrem Vertreter in diesem Gremium ernannt, das gesetzgebende Funktionen ausübte. Im Jahr 1982 wurde er mit dem Orden Carlos Fonseca ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung der FSLN, die damals einigen wenigen Sandinist*innen in Anerkennung außergewöhnlicher Verdienste verliehen wurde.[3]

Er war bis 1990 Mitglied der Sandinistischen Versammlung und als Leiter der Politischen Direktion des Sandinistischen Volksheeres (EPS) für die politische Ausbildung von Soldaten und Offizieren zuständig. In der Nationalen Armee erlangte er den Rang eines Brigadegenerals und wurde Mitte der 1990er Jahre pensioniert. Seit seiner Rückkehr ins zivile Leben kritisiert Hugo die Parteiführung, die damals von Daniel Ortega dominiert wurde und sich rasch auf einen Pakt mit dem rechtsgerichteten Arnoldo Alemán zubewegte. Wir erinnern uns an Hugo, als er mit Gruppen in Verbindung stand, die den aufkommenden Orteguismus kritisierten, und seine Besorgnis über die autoritären Tendenzen und die damit verbundenen Risiken für die Demokratie in Nicaragua zum Ausdruck brachte. Zu dieser Zeit gehörte er keiner politischen Partei an. Er war sich der Bedeutung der Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses bewusst, und als ich ihn in meine Radio-Talkshow einlud, um über den „Siegreichen Dezember“ zu sprechen, sagte er mir: „Ich halte dieses Programm für sehr wichtig, denn die Geschichte ist ein erstklassiger Bezugs-punkt, der sehr wichtig ist, um in der Gegenwart zu leben und für die Zukunft zu planen. Leider vergessen wir das, und deshalb stolpern wir immer wieder über denselben Stein. Deshalb halte ich diese Aufarbeitung der Geschichte in deinem Programm für grundlegend.“ [4] Aus diesem Grund wurde Hugo bei mehreren Gelegenheiten, als ich das Land verlassen musste, als Interviewer in unserer Sendung tätig. Aus Sorge um die Erinnerung schrieb er sein Buch Rumbo Norte, Historia de un sobreviviente (Geschichte eines Überlebenden) mit einem Vorwort von Sergio Ramírez, das im Auditorium des Nationalpalastes vorgestellt wurde, an dem Ort, an dem er mit dem Gewehr in der Hand an der oben genannten Aktion teilnahm. Er veröffentlichte auch einen Gedichtband Coplas y algunos poemas infiltrados. „Die Coplas“, sagte er, „erinnern an jene, die in León zur Begleitung der Tänze der Gigantona und des Enano Cabezón/Zwerg mit dem großen Kopf [populäre nicaraguanische Volksbräuche] vorgetragen werden.“ Wie viele von uns hat Hugo Torres aus prinzipiellen Erwägungen heraus mit der FSLN gebrochen. Als sein ziviler Status ihm dies erlaubte, lehnte er den Pakt und die Korruption in Erklärungen ab. Seitdem ist er ein sichtbares Gesicht im politischen Leben Nicaraguas und eine Quelle der Beratung, insbesondere bei der Analyse von Fragen im Zusammenhang mit der nicaraguanischen Armee. Im Kommunalwahlkampf 2008 schloss er sich der MRS an, an dem sich die Partei nicht direkt beteiligte, weil ihr der Rechtsstatus einer Partei unrechtmäßig und willkürlich entzogen wurde.

Im Wahlkampf 2011 beteiligte sich Hugo an der Allianz MRS-PLI und wurde als Abgeordneter in das Zentralamerikanische Parlament gewählt. Auf dem VIII. Nationalkongress der MRS (18.11.2017) wurde er neben Suyén Barahona Cuan, der Präsidentin, zum Vizepräsidenten dieser Organisation gewählt. Dieses Amt hatte er auch inne, als sich die Partei MRS auf ihrem IX. Kongress, der im Januar 2021 stattfand, in Unión Democrática Renovadora (UNAMOS) umbenannte.[5] Während des Volksaufstandes 2018 gab Hugo Torres weiterhin Pressekonferenzen, Interviews und schrieb Meinungsartikel, in denen er den diktatorischen Charakter des Ortega-Murillo-Regimes anprangerte. Er nahm auch an Demonstrationen und anderen zivilgesellschaftlichen Veranstaltungen teil, um seine Ablehnung der Regierungspolitik zum Ausdruck zu bringen, wobei er immer wieder betonte, dass der Kampf dieses Mal auf zivilgesellschaftlicher Ebene geführt werden müsse. Am 13. Juni 2021 wurde er von dem diktatorischen Ortega-Murillo-Regime entführt. In Erwar-tung seiner Festnahme nahm er wenige Minuten vor seiner Verhaftung ein Video auf, in dem er an seine Teilnahme am Kampf gegen Somoza erinnert. „Ich bin 73 Jahre alt, ich hätte nie gedacht, dass ich in dieser Phase meines Lebens gegen eine neue Diktatur kämpfen würde (…), aber so ist das Leben. Diejenigen, die einst für Gerechtigkeit und Freiheit eintraten, haben sie heute verraten und sind heute ihre Hauptfeinde…“ Und er schloss mit den Worten: „Mut, Leute, (wir müssen) den Mut bewahren, denn die Geschichte ist auf unserer Seite. Sie sollen abhauen, abhauen!“ [6] Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Notizen ist allgemein bekannt, dass Hugo Torres am 17. Dezember 2021 aus der Zelle geholt wurde, die er mit anderen Gefangenen in El Chipote teilte. Ebenso dass er in den letzten Wochen rapide erkrankt war und dass seine Mitgefangenen ihm mehrmals helfen mussten, weil er sich aufgrund des Entzündungsgrades in seinen Beinen kaum noch selbständig bewegen konnte. Er wurde von Gefängnisärzten behandelt, die jedoch keine Besserung seines Zustands herbeiführen konnten. An diesem Tag erlitt Hugo einen langen Ohnmachtsanfall. Er wurde aus seiner Zelle an einen unbekannten Ort gebracht. Weder die Direktion des Gefängnisbehörde (Auxilio Judicial) noch das Oberkommando der Polizei, geschweige denn die unrechtmäßige nicaraguanische Regierung, haben die Situation des Guerillakommandanten, des Brigadegenerals a.D. Hugo Torres, Held des Kampfes gegen die Somoza-Diktatur und zweifellos auch dieses zivilen und friedlichen Kampfes gegen das Regime von Ortega, aufgeklärt. Seine Geschichte zu erzählen und mit gerechtem Zorn Informationen über seine Situation zu fordern, ist unser Recht und unsere Pflicht, denn Hugo gehört nicht nur zu seiner biologischen Familie, er gehört auch zum Kampf eines Volkes gegen Unterdrückung und Diktaturen.

[1] Siehe den vollständigen Bericht in: Mónica Baltodano, Memorias de la Lucha Sandinista (MLS), Bd. I, S. 543-558, oder online: https://memoriasdelaluchasandinista.org/view_sto-ries.php?id=27.

[2] Siehe https://memoriasdelaluchasandinista.org/view_stories.php?id=27; Mónica Baltodano, MLS, Bd. II, S. 331; oder in: Fabrice Le Lous (10. August 2017) “Hugo-Torres-Jiménez-el-guerrillero-de-los-dos-asaltos”
[3] Navas, Lucía (23. November 2019). «Rosario Murillo Revive La Orden «Carlos Fonseca Amador» Para Premiar a Las Turbas Orteguistas». La Prensa (Nicaragua).
[4] Ich beziehe mich auf die Radiosendung Entre Todos, in der ich mehr als hundert Teilnehmer*innen am Kampf gegen die Somoza-Diktatur interviewte. Diese Sendung begann 1999 und endete 2002.
[5] https://www.articulo66.com/2021/01/15/mrs-cambia-de-nombre-unamos/
[6] https://www.facebook.com/watch/?v=1394106397626169
Quelle: Confidencial, 12.01.2022: https://www.confidencial.com.ni/opinion/hugo-torres-jimenez-heroe-de-la-lucha-contra-la-dictadura-somocista/?utm_source=Bolet%C3%ADn+Informativo+%7C+Confidencial&utm_campaign=b26efb4df4-BOLETIN_DIARIO_CONFIDENCIAL&utm_medium=email&utm_term=0_222aa13b5f-b26efb4df4-294758221&mc_cid=b26efb4df4&mc_eid=e82b729fca
Aus dem nicaraguanischen Spanisch: Manfred Liebel