Nach einem ausgiebigen Frühstück kamen die einführenden Beiträge von den Gewerkschafter*innen für den Klimaschutz. Ulrich Franz stellte am Beispiel der gemeinsamen Aktionstage von ver.di und Fridays for future zum ÖPNV eine Strategie vor, in der Gewerkschafts- und Klimaschutzbewegung gemeinsam handeln, was in 2024 fortgesetzt werden soll. Stephanie Walter skizzierte die derzeitige Weltlage als eine Abfolge weltweiter Großkrisen (Wirtschaftskrise(n), Klimawandel, Corona, Ukraine-Krieg mit Energiekrise und Inflation), die das Leben aller verändern und bedrohen.
• „Panic and Neglect“ in Bezug auf Corona: nach der akuten Krise mit zum Teil überzogenen Reaktionen ist die Pandemie von einem Moment zum nächsten „vergessen“. Nahezu keine Aufarbeitung, Lernen aus Fehlern, Vorbereitung auf zukünftige Pandemien. Getriebenheit ist ein Modus, der für viele vergangene
und gegenwärtige Krisen gilt: In den Medien, in der Politik, bei den einzelnen Menschen. Verhindert langfristiges Handeln und tiefgreifenden Wandel.
• Ukraine-Krieg: emotionalisierte, moralische Haltung zum Krieg mit Feindbild Putin/Russland. Auch wenn Russland eindeutig die Verantwortung für den Krieg trägt, ignoriert dies die tieferliegenden Ursachen und verhindert Wege zu
Friedensverhandlungen, kappt Beziehungen. Aufrüstung ideologisch in der Sprache der Medien, in der Außenpolitik und physisch mit Waffen. Großmanöver, Stationierung und Erweiterung der nationalen und NATO-Truppen. Die Ressourcen (menschlich, gedanklich, medial, ökonomisch, materiell), die jetzt in die Aufrüstung gehen, fehlen für die wahren Probleme: Klima- und Umweltkrise, soziale Ungleichheit auf nationaler und globaler Ebene. Vielmehr verschärfen die Kriegsfolgen die Probleme.
• Politische Demobilisierung: Menschen sind gleichzeitig verunsichert / ängstlich, ohnmächtig und müde. Nachholbedarf nach Corona bei Reisen, Events, kulturellen Veranstaltungen uvm. Verständlicher Weise wird Ablenkung gesucht. Oder Rückzug ins Private: Eigenheim und Garten, enger Familien- und Freundeskreis vermittelt Sicherheit.
• Neue Medien als „neues Opium fürs Volk“: Ständiger Fluss von (scheinbaren) Informationen in der eigenen Filterblase. (Scheinbare) Kommunikation in Sozialen Medien ersetzt persönliche Begegnungen. Unterhaltung ständig und unbegrenzt verfügbar: Musik, Videos und Serien, Games. Keine Zeit mehr zum Nachdenken, Reflektieren, Vertiefen.
• Folge: schwindendes Interesse an traditionellen Formen politischen Handelns in Parteien, Gewerkschaften, Initiativen, Demonstrationen, Wahlbeteiligung. Es gelingt kaum noch, Massen zu mobilisieren für entscheidende Ziele wie Frieden,
Klimaschutz, Asylpolitik uvm. In dem Vakuum fischen rechte, autoritäre, populistische, verschwörungsideologische Parteien und Strömungen nach Anhänger/innen – und machen fette Beute. Gefahr, dass „die Straße“ und „das
Netz“ zunehmend von extremistischen Kräften bestimmt werden.
• Verlagerung der Verantwortung auf den Einzelnen: Moralische Appelle zu nachhaltigem Konsum ersetzen Kritik an den Unternehmen und dem Wirtschaftssystem. Ablenkung von den wahren Verantwortlichen und Profiteuren des bestehenden Systems. „Bio, Fair Trade, klimaneutral, nachhaltig + Grüne Technologien“ als Geschäftsmodell: Verkauft sich gut mit einer Menge Greenwashing. Weiter wie bisher in neuem Gewand, z.B. E-Mobilität statt Verkehrswende.
• Utopien haben es gerade schwer unter der Last der komplexen, untereinander verbundenen Krisen. Es braucht eine gestaltende Kraft von unten. Woher kanndiese kommen, was kann sie stärken? Was kann mehr Menschen dafür gewinnen, sich für diese Ziele einzusetzen? Es gilt, soziale Errungenschaften, Umweltschutz, Frieden hoch zu halten.
• Arbeitszeitverkürzung ist angesichts der Krisen eine positive Zukunftsaussicht, für die ein großer Teil der Beschäftigten zu gewinnen sein dürfte. Arbeitszeitverkürzung bietet einen Lösungsansatz für bedeutende ökologische und soziale Fragen: Postwachstum; Klimaschutz und Ressourcenschonung; Gleichberechtigung von Frauen; Zeit für Familie, Kinder, Nächstenpflege, Freunde usw. („Care-Arbeit“), für außerberufliche Arbeit und Lernen; für politisches Engagement; für Muße und Reflexion; für die Selbstfürsorge; für die gerechte Verteilung von Berufsarbeit; für ein gesundheitsförderndes Arbeiten; für die Eingliederung aufgrund von körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen benachteiligter Menschen.
• Akteure, die sich bereits intensiv damit beschäftigt haben: Initiative „Care Revolution“, „4-Stunden-Liga“, „Institut Solidarische Moderne“.
Sascha Strobl und Kai Beutler stellten anschliessend das Steuerkonzept sozialökologische Transformation auf der Basis der Attac-AG „Finanzmärkte und Steuern“ vor, welches Antwort auf die Fragen geben soll: Wie ist ein gutes Leben für alle Menschen möglich, bei dem das Klima, die Ressourcen und die Artenvielfalt erhalten bleiben? Wie kann eine sozialökologische Steuerreform dazu beitragen, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen, in Deutschland und weltweit? Da sich besonders seit den 80er Jahren die Einkommen in Deutschland auseinander entwickeln, ergeben sich bereit hieraus existenzielle politische, ökologische und soziale Probleme. Die Grundgedanken beim attac-Steuerkonzept sind:
1. Begrenzung von Einkommen und Vermögen
2. Rückverlagerung der Steuerlast von Arbeit zu
Vermögen, Ressourcenverbrauch
3. Staatsquote: 50% bis 60% i st machbar
4. Verursacherprinzip realisieren
5. Dezentralisierung = Kommunalisierung
Die Detailvorschläge sind hier nachzulesen. Hier finden sich auch die Fragen, Aktionsvorschläge und wesentlichen Botschaften aus der anschliessenden Diskussion für das weitere Handeln Folie 6).
Knut Unger („Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen“ und „VoNO!via & Co. MieterInnenbündnis“) stellte unter der Überschrift „Zeitenwende Wohnen: Für eine radikal andere Wohnungspolitik“ das Diskussionspapier der Mietervereine Bochum, Dortmund, Witten und Mietergemeinschaft Essen vor. Bauen allein wird den Mangel an bezahlbaren Wohnungen nicht beheben und führt zu unerträglichem Umweltverbrauch. Verteilung, Bewirtschaftung und Erneuerung des Wohnungsbestandes müssen strikt am Gemeinwohl ausgerichtet werden. Da die Anbieterstruktur einseitig renditeorientiert ist, muß ein reguliertes gemein-wirtschaftliches Segment der sozialen und möglichst klimaneutralen Wohnungsversorgung über ein Sondervermögen geschaffen werden. Nach Artikel 14 Grundgesetz muss der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Allgemeinwohl dienen. Und für die Wirtschaftsbereiche, in denen das nicht gelingt, hat uns das Grundgesetz Artikel 15 an die Hand gegeben. Die Gesetzgeber können entscheiden, Grund und Boden sowie die Produktionsmittel der Immobilienfinanzindustrie in das Gemeineigentum oder eine andere Form der Gemeinwirtschaft zu überführen. Leider war der Vorschlag im Deutschen Mieterbund NRW nicht mehrheitsfähig, wird aber weiter verfolgt. Zur Vertiefung des Themas der Vergesellschaftung hier eine Analyse von Knut Unger.
In der Abschlußrunde wurden Gemeinsamkeiten in der sozialökologischen Transformation hervorgehoben:
So bietet die Angebotspolitik nur ein begrenztes Lösungspotenzial. Die gilt sowohl für die Elektromobilität, die Energieversorgung, den Wohnungsbau oder auch sinngemäß bei der Steuerpolitik: Immer muß auch der Ressourcenverbrauch insgesamt eingeschränkt werden, was nur durch Verteilungsgerechtigkeit und radikale Verbrauchseinschränkungen bei den Reichen möglich ist. Dabei muß der Staat gegenüber den Marktkräften eine aktivere Rolle einnehmen, indem aktiv Rahmenbedingungen, Produktionsstrukturen und soziale Infrastruktur reguliert werden. Die Eigentumsfrage spielt eine entscheidende Rolle: Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten, sowohl wegen ihres Ressourcenverbrauchs, als auch wegen ihrer zur Finanzierung einer Klimapolitik nötigen Vermögen. Da Konzerne wie in der Wohnungs- und Energiewirtschaft Vonovia und RWE wegen ihrer Renditefixierung einer sozial gerechten und ökologischen Transformation im Wege stehen sind, sind die Forderungen nach Enteignung und Vergesellschaftung zu unterstützen.
Das Format des Politischen Frühstücks hat sich als produktiv herausgestellt, eine Fortsetzung wird gewünscht. Dabei wurden Themen vorgeschlagen wie Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsplätze und Fürsorgearbeit im Kontext von radikaler Arbeitszeitverkürzung.
Und als kleines Schmankerl noch zum Abschluß was die Westdeutsche Zeitung berichtete: hier