Vor kurzem fand über die Plattform zoom eine Veranstaltung statt, bei der 3 Vertreter:innen der AMS und der UNAB über die Perspektive der Opposition und die Forderungen nach Wahlreformen, die „Kampagne der Würde“ und die Politik der Europäischen Union gegenüber Nicaragua diskutierten.
Die politische Situation in Nicaragua ist geprägt von der Repression der Ortega-Murillo-Diktatur, den Wahlreformen und den Erwartungen auf eine Änderung durch die Wahlen am 7.November 2021.
Die Opposition versucht ihre Rolle in einem Wahlprozess zu finden, um möglichst viele Wähler auf sich zu vereinen und so die Diktatur auf demokratischem Wege zu beseitigen. Die Regierung versucht, dies mit allen Mitteln zu verhindern
Das Szenario zum Wahlgesetz und den Wahlen im November
In Nicaragua gibt es 4 Staatsgewalten: die Judikative, die Legislative, die Exekutive und die oberste Wahlbehörde. Das Wahlgesetz wurde im Jahr 2000 zwischen der aktuellen Regierung Arnoldo Aleman und Daniel Ortega so ausgehandelt, dass ein Wahlsieg mit 35 % der Stimmen möglich ist.
Ab dem Jahr 2008 gab es Wahlbetrug in den Kommunalwahlen und auch in den folgenden Jahren 2011, 2012, 2016 und 2017 gab es bei den Wahlen einen Wahlbetrug. Man kann sagen, dass es keinen Respekt für den Willen des Volkes gibt. Als Ergebnis all dieser Ereignisse gingen die Menschen in Nicaragua im Jahr 2018 massiv auf die Straßen, um Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit zu fordern.
Eine Reform des Wahlrechts ist nötig, denn die neuen Wahlrichter sind direkt durch die FSLN ernannt worden. Sie sollten aber nach Eignung und in Absprache mit der einschlägigen Zivilgesellschaft gewählt werden, und nicht nach dem Willen der herrschenden politischen Parteien, denn durch diese wurde in den vergangenen Jahren Wahlbetrug begangen.
In dem Vorschlag der Zivilgesellschaft zu Wahlrechtsreform wird auch gefordert, nationale und internationale Wahlbeobachtungen in allen Phasen des Wahlprozesses durchzuführen, denn dadurch haben die Bürger mehr Vertrauen, ihr Stimmrecht auszuüben, wenn sie wissen, dass es Wahlbeobachtungen gibt. Eine Entparteilichung der Wahlorgane der Regional-, Departements- und Gemeinderäte sowie des Wahlvorstands ist erforderlich. Die ordnungsgemäße Überwachung der politischen Parteien ist nötig, damit die Beobachter der politischen Wahlen ihre Arbeit ausüben können und damit im Moment der Überwachung und Beobachtung des Wahlprozesses alle Regeln eingehalten werden und die Rechte der Wählenden nicht verletzt werden. Es wird eine Autonomie zur Herstellung von Wahlbündnissen gefordert, dass die Wahlbündnisse autonom sein können, damit sie einen anderen Namen haben können als die politische Partei, die das Wahlbündnis anführt.
Es wird die Freilassung der politischen Gefangenen und die Wiederherstellung der öffentlichen Freiheiten (Versammlungsrecht, Pressefreiheit) gefordert. Auch im Exil Lebenden und freigelassenen Gefangenen sollte es möglich sein, sich zur Wahl aufstellen zu lassen und zu wählen.
Partizipative Erarbeitung des Programms der Sozialen Bewegungen innerhalb der Opposition
Im Jahr 2018 gab es von Seiten der Zivilgesellschaft innerhalb der Oppositionskräfte einen Vorschlag für eine Übergangsregierung, wir erarbeiteten einen Vorschlag, den wir das blau-weiße nationale Abkommen nannten; wir klopften an die Türen und sprachen mit den verschiedenen politischen Gruppen in unserem Land, um sie von der Notwendigkeit eines antidiktatorischen Blocks zu überzeugen, der pluralistisch war und die demokratische Beteiligung verschiedener Richtungen erlaubte.
Vertreter:innen dieser Bewegung berichteten: „Wir waren in der Lage, unseren eigenen Vorschlag zu erstellen, den wir den „Plan des Kampfes für die Würde“ nannten, und das Ergebnis eines Prozesses, den wir über zwei Jahre durch Konsultation verschiedener Organisationen aufgebaut hatten. Wir glauben, dass die Würde ein fester Bestandteil des Kampfes ist, den wir bereits für die strikte und absolute Achtung der Menschenrechte für alle Menschen gleichermaßen führen.“
Was muss die internationale Gemeinschaft in diesem Kontext tun
Heute liegt der große Druck auf den Außenministerien der USA, der europäischen Staaten und auf der Europäischen Kommission selbst, indem sie die von ihr geforderten Freihandelsabkommen auf die Assoziierungsprozesse beziehen, da diese keinem der vereinbarten Konsense der Ökologie und vor allem der Menschenrechte entsprechen.
Im April 2018 Jahr hat die Regierung mit der Unterdrückung des Volkes und den zahlreichen Vorfällen von Gewalt, Verfolgung und Ermordung die rote Linie überschritten und das große Versagen der internationalen Gemeinschaft war, ihr weitere Möglichkeiten zu agieren einzuräumen.
Aktuell haben die willkürlichen Festnahmen der Oppositionskandidaten und – kandidatinnen Nicaragua wieder in die Schlagzeilen der europäischen Medien gebracht.
Aber wir wissen, dass es ein paar Tage später wieder in den Hintergrund treten wird und dass das vom Orteguismo genutzt werden wird, um die Dinge zu verdrängen und bei den nächsten Wahlen Vorteile zu erlangen.
Es ist die Frage, ob z.B das europäische Assoziationsabkommen mit Zentralamerika wirklich außer Kraft gesetzt werden wird um echten ökonomischen Druck auf das Ortega Murillo Regime aus zu üben.
Fazit: Ein düsteres Szenario
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in der derzeitigen Situation zwei Oppositionsparteien nicht an den Wahlen teilnehmen können, weil ihre Rechtsperson annulliert wurde (quasi Verbot), außerdem gibt es kein Recht auf Versammlungsfreiheit, alle Treffen und Sitzungen der Opposition werden von der Nationalpolizei schikaniert und belagert. Das Ortega-Murillo-Regime gab eine Antwort auf die Forderungen nach Wahlreformen, indem es ein Wahlgesetz verabschiedete, das an ihre Interessen und ihren Fortbestand angepasst war. Die Wahlen sollen nur dazu dienen ihre Macht weiter zu legitimieren.
Das Dilemma der Nicaraguaner im Exil und der Bedarf an Unterstützung
Sind die Menschen in Nicaragua auf sich allein gestellt oder haben sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft?
Die im Exil lebenden Nicaraguaner:innen stehen vor einer großen Mauer, sie leben in einem anderen Land, sind umgeben von einer anderen Kultur, sind von Menschen umgeben, von denen einige sie unterstützen und andere, die das nicht tun, sie sind von ihrer Familie getrennt, sie können ihr Studium nicht fortsetzen und sie werden sogar außerhalb ihres Landes verfolgt. Oft haben sie nur von eigenen Landsleuten, die selbst wenig Ressourcen haben, Unterstützung erhalten. Hier müssten die Solidaritätsgruppen bessere Mechanismen zu langfristiger Unterstützung und Zusammenarbeit aufbauen.
Es ist wichtig, Nicaragua und den sozialen Bewegungen viel Unterstützung, viel Kraft und Solidarität zu geben. Sie arbeiten jeden Tag und riskieren ihr Leben und das ihrer Familien, um die Diktatur zu beenden. Sie brauchen eine Möglichkeit, sich zu versammeln, sie brauchen auch Trainingsprozesse, um ihre politische Stimme ausüben zu können, um neue Strategien umzusetzen, die das Exil einbeziehen, um die Freilassung der Präsidentschafts-Kandidaten/innen zu fordern und es ist notwendig, mehr Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gegen die diktatorische Regierung von Nicaragua zu erlassen.
Hierfür sollten nachhaltige Strukturen in Nicaragua und im Ausland mit den Exilierten aufgebaut werden um den Widerstand langfristig aufrecht erhalten zu können.