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222 politische Gefangene befreit und deportiert

Matthias Schindler, 12.2.2023

Am 9. Februar 2023 wurden völlig überraschend 222 politische Gefangene aus verschiedenen Gefängnissen Nicaraguas entlassen und in den USA ausgeflogen. Aber 38 politische Gefangene befinden sich immer noch in Haft. Die befreiten Gefangenen mussten schriftlich erklären, dass sie damit einverstanden sind, ausgeflogen zu werden. Einer der ursprünglich 223 Gefangenen, der Bischof Rolando Álvarez, verweigerte seine Zustimmung zur Deportation und wurde daraufhin sofort wieder ins Gefängnis geworfen. Schon einen Tag später wurde er am 10. Februar in einem völlig manipulierten Schnellverfahren zu 26 Jahren und 4 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet 1.600 Dollar verurteilt.

Weiterhin wurden sie alle zu „Verrätern des Vaterlandes“ erklärt, ihnen wurde daher auch die nicaraguanische Staatsbürgerschaft entzogen, und ihnen wurde lebenslang verboten, ein öffentliches Amt auszuüben oder dafür zu kandidieren.

Sowohl das Außenministerium der USA, als auch Präsident Ortega haben betont, dass es keinerlei Verhandlungen zwischen den beiden Staaten über die Bedingungen dieser Freilassungen gegeben habe. Die Initiative ging von Nicaragua aus. Vizepräsidentin Rosario Murillo hat bei der US-Botschaft nachgefragt, ob die USA bereit wären, diese Gefangenen aufzunehmen. Das Außenministerium hat akzeptiert, und so wurden die politischen Gefangenen in einer Chartermaschine nach Washington ausgeflogen.

Sie haben alle aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung, einschließlich einer Arbeitserlaubnis, für zwei Jahre bekommen. Ihnen wurde medizinische Hilfe angeboten, und sie sind aktuell auf Kosten der US-Regierung in einem Hotel untergebracht.

Die befreiten Personen sind überglücklich über ihre neu gewonnene Freiheit, aber sie akzeptieren in keiner Weise ihre Deportation und den illegalen Entzug ihrer Staatsbürgerschaft. Die nicaraguanische Verfassung erklärt in ihrem Artikel 20 kategorisch: „Keinem Nicaraguaner kann die Staatsbürgerschaft entzogen werden.“

Unter den Befreiten befinden sich politische Führungspersönlichkeiten, Dissidenten der FSLN, Gewerkschafter, Landarbeiter, Menschenrechtler, Unternehmer, Studentenführer, Journalisten, Akademiker, Priester und andere mehr. Sie wurden nach völlig willkürlich interpretierbaren und erst kürzlich neu verabschiedeten Gesetzen verurteilt, weil sie angeblich „die nationale Souveränität diskreditiert“ und „zur Gewalt, zum Terrorismus und zur wirtschaftlichen Destabilisierung aufgerufen“ hätten. Dabei hat niemand von ihnen zu gewaltsamen Aktionen aufgerufen oder gar an solchen teilgenommen.

Die einzige Gewalt, die in den letzten Jahren in Nicaragua ausgeübt wurde, war die brutale Unterdrückung der Bevölkerung durch die Polizei und die Paramilitärs des Regimes Ortega-Murillo. Im April 2018 wurden während friedlicher Massenproteste gegen die Regierung über 300 Personen auf direkten Befehl des Präsidentenpaares ermordet. Seit diesem Zeitpunkt herrscht dort eine Diktatur, die keinerlei Rechtsstaatlichkeit mehr zulässt alle demokratischen Freiheiten massiv unterdrückt.

Zu den prominentesten Persönlichkeiten, die jetzt befreit wurden, gehört Christiana Chamorro, die Tochter des von der Somoza-Diktatur ermordeten Zeitungsverlegern Pedro Joaquin Chamorro und dessen Witwe und ehemalige Präsidentin Nicaraguas Violeta Barrios de Chamorro. Auch Dora María Téllez befindet sich unter ihnen, eine Dissidentin der FSLN, die unter anderem durch ihre Führungsrolle bei der Besetzung des Nationalpalastes 1978 und bei der Befreiung Leóns bekannt geworden ist, Guerillaaktionen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, die Diktatur Somoza 1979 zu stürzen.

Als sie jetzt gefragt wurde, warum Ortega und Murillo diese Gruppe jetzt freigelassen habe, antwortete sie, „weil wir stärker waren als sie. […] Wir haben widerstanden, niemand von uns hat sich Daniel Ortega und Rosario Murillo unterworfen […] nicht ein einziger“. Das Regime Ortega steht intern und extern extrem unter Druck. Die internationale Solidarität mit den politischen Gefangenen hat niemals nachgelassen. Ortega gerät vor allem in Lateinamerika in immer größere Isolation. Die neuen Präsidenten von Kolumbien, Brasilien oder auch Chile haben sich explizit gegen die politische Unterdrückung in Nicaragua und für die Freilassung der politischen Gefangenen ausgesprochen.

Alle Befreiten sind sich darin einig, dass sie jetzt weiterkämpfen werden, für die Befreiung auch der übrigen politischen Gefangenen und für die Freiheit des ganzen Nicaraguanischen Volkes

12.02.2023

Namensliste der deportierten Gefangenen