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„Keine Zuflucht, nirgends“

Bericht vom Informations- und Diskussionsabend mit Riad Othmann am 02.12.2024

Mit ungefähr 80 Zuhörenden war der Raum im Forum beinahe bis auf den letzten Platz besetzt. Was sie zu hören bekamen, war schwer auszuhalten, ist jedoch leider die Wirklichkeit. Mit erschreckenden Zahlen führt Othmann vor Augen, wie massiv die Zerstörungen und wie groß das Leiden der Menschen im Krieg Israels im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der Hamas vom 07. Oktober 2023 sind.

Der Titel des Vortrags, „Keine Zuflucht nirgends“ bewahrheitet sich in vielerlei Hinsicht. Es ist nachgewiesen, dass die israelische Armee auch in Fluchtkorridoren und humanitären Schutzzonen angreift, darunter Krankenhäuser und Gesundheitsstationen. Die Mehrheit der Opfer sind Frauen und Kinder. Auch grundlegende Infrastruktur wie Kraftwerke, Anlagen zur Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung werden gezielt zerstört. Vor dem jüngsten Krieg waren die Menschen in Gaza in der Lage, einen Teil ihrer Versorgung mit Lebensmitteln über eigene Landwirtschaft zu gewährleisten, heute sieht man auf Satellitenbildern grauen Staub statt grüner Äcker. Die katastrophale Unterversorgung mit Nahrung, Energie, Medikamenten und anderen Gütern zeigt sich in der geringen Zahl an täglichen LKW-Lieferungen, die nur einen Bruchteil des Lebensnotwendigen erreichen. Die Menschen in Gaza stehen an der Schwelle zu einer menschengemachten Hungersnot.

Othmann verdeutlicht, dass der 07. Oktober ein tiefer Einschnitt für die Menschen in Israel war. Der Nimbus der militärischen Unverwundbarkeit hat tiefe Risse bekommen, schließlich konnten Armee und Geheimdienste die Ermordung von 1.140 Menschen, überwiegend Zivilist:innen nicht verhindern, noch immer sind etwa 100 Menschen als Geiseln in den Händen der Hamas. Tausende mussten vor den anhaltenden Raketenangriffen an der Grenze zum Libanon flüchten. Die Ereignisse wühlen das Trauma des Holocaust wieder auf.

Der Staat Israel unter der Regierung Netanjahus geht jedoch in diesem Krieg weit über das Recht auf Selbstverteidigung nach dem von der Hamas verübten Verbrechen hinaus. Othmann nennt als „inoffizielle Kriegsziele“ die Vertreibung der Bevölkerung und die Ausweitung von israelischen Siedlungen, begleitet von „genozidaler Hassrede“. Es wird gegen das Völkerrecht und gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen, Südafrika haben deshalb Klage vor dem internationalen Strafgerichtshof erhoben. Außerdem geht er auf die Vorgeschichte ein, dass sich die Lebensbedingungen in Gaza seit Ende der 1990er Jahre unter dem Druck der Besatzung stetig verschlechtert haben.

Die Regierung Netanjahu setzt den Krieg unter der Rückendeckung von Ländern der westlichen Welt fort, die der IDF auch im großen Stil Waffen liefern. Sie stehen vor dem Dilemma, jüdischen Menschen nach der Jahrhunderte dauernden Verfolgung in der Diaspora einen sicheren eigenen Staat garantieren zu wollen. Letztendlich geht es dabei auch darum, westliche Eigeninteressen in der Region durchzusetzen. Deutschland hat das unbedingte Existenzrecht Israels zur Staatsräson erklärt. Mit der Besatzung, der Siedlergewalt und dem mit unverhältnismäßigen und menschenrechtswidrig geführten Krieg unterstützen sie jedoch eine ultrarechte Regierung, die letztendlich weder den Menschen in Israel noch in den palästinensischen Gebieten Frieden und ein würdiges und sicheres Leben ermöglichen wird. Es gilt deshalb, Druck auf Israel auszuüben, zu einem Waffenstillstand zu kommen, das internationale Recht einzuhalten und ihrer Pflicht als Besatzungsmacht zur Versorgung der palästinensischen Bevölkerung nachzukommen. Die deutsche Regierung muss die Waffenlieferungen einstellen. Einen dauerhaften Frieden kann es nur geben, wenn die Besatzung des Gazastreifens, der Westbank und des Westjordanlands beendet werden. Ob eine Ein-Staatenlösung oder Zwei-Staatenlösung anzustreben sei, ließ der Referent dahin gestellt sein. In jedem Falle müsse es gleiche Rechte für alle -Juden und Moslems, Israelis und Palästinenser*innen- geben.

In der Abschlussdiskussion berichtete eine junge Frau mit palästinensischen Wurzeln und deutscher Staatsbürgerschaft, die sich am 07. Oktober im Gazastreifen aufhielt, wie schwierig es für sie war, mit ihrem kleinen Sohn nach Deutschland zurückzukehren. Die deutsche Botschaft habe sie kaum unterstützt, erst nach ihrer Ankündigung, mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen, dürfte sie ausreisen.

Für Interessierte hier auch die Folien des Referenten zum download

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